(Konfuzius)
Arbeit wird in unserer Gesellschaft oft als notwendiges Übel betrachtet. Geld verdienen, und zwar möglichst viel Geld mit möglichst wenig Aufwand. Mit einer perfekten work-life-balance.
Tschuldigung, aber wenn ich work-life-balance höre krieg ich die Krise. Das bedeutet per se die Trennung von Arbeit und Leben und ist damit schon die falsche Herangehensweise.
Wenn deine Arbeit so sehr zur Last wird, dich fertig macht, such dir eine andere, keinen Ausgleich. Eine Arbeit, die deinen Talenten und Wünschen näher kommt. Die kostet keine Kraft sondern setzt Kräfte frei.
„Der Einzelhandel ist die größte Niedriglohnbranche in Deutschland“, schreibt die Entwicklungsorganisation Oxfam. Tatsächlich hinkt der Einzelhandel anderen Branchen hinterher, trotz des niedrigen Niveaus. Die Tarifrunden der vergangenen Jahre haben allenfalls die Inflationsrate bereinigt.
Tarifverträge sind auf grosse Handelsunternehmen ausgerichtet. Für inhabergeführte Unternehmen wie Momo sind klare Regeln, aber auch individuelle Lösungen genauso wichtig, je nach Situation des Mitarbeiters oder auch des Betriebs.
Tariflohn ist gestaffelt nach Ausbildung, Erfahrung und Stellung im Betrieb. Hinzu kommen Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld, zusammen macht das mehr als ein weiteres Monatsgehalt aus, Urlaubsanspruch ist knapp 6 Wochen.
Große Handelsketten geben vor, nach Tarif zu entlohnen. Stimmt das auch? Wie machen die das? Ein Blick hinter die Kulissen zeigt wie das geht:
Überstunden sind an der Tagesordnung, durch geplante Unterbesetzung, unerfüllbare Zeitvorgaben, und werden nicht entlohnt.
Geringfügig Beschäftigte machen innerhalb der Branche 33% aus. Im Discounter bis zu 50%, die in der untersten Gehaltsstufe geführt werden.
Teure Stellen für Teamleiter werden in Filialbetrieben erst gar nicht besetzt.
Scheinselbständigkeit für zB Lagerarbeiter tun ihr übriges.
Die Löhne im Naturkostfachhandel sind nicht meilenweit vom Tarif entfernt, aber sie liegen meist darunter.
Sind Tarifverträge das Maß aller Dinge? Welche Löhne sind sozial und fair?
Dass im Lebensmitteleinzelhandel kein Mensch reich wird ist allgemein bekannt. Ebenso, dass in weiten Teilen unter Tarif bezahlt wird. Doch der Bio-Fachhandel beansprucht für sich und sein Sortiment, fair, sozial und partnerschaftlich zu handeln, wie geht das zusammen?
Gute Arbeitsbedingungen tragen erheblich zur Zufriedenheit der Mitarbeiter bei, so der DGB in seinem Index „Gute Arbeit“, der anhand 15 Dimensionen versucht, Arbeitsqualität messbar zu machen.
Das Einkommen ist nur eine davon. Aufstiegsmöglichkeiten, Betriebskultur, Mitbestimmung, Arbeitsintensität oder Sinnhaftigkeit der Arbeit zählen ebenso dazu. Sie rechtfertigen allerdings keine niedrigeren Gehälter, sondern können sie höchstens bis zu einem gewissen Punkt ausgleichen.
Partnerschaftlich ohne Betriebsrat?
In kleinen Betrieben, bei denen sich noch alle Mitarbeiter mit dem Chef an einen Tisch setzen können, mag ein Betriebsrat nicht notwendig sein. Arbeitszufriedenheit hängt vor allem davon ab, dass die Mitarbeiter eigenverantwortlich tätig sein können, ihre Kompetenz anerkannt wird und sie feststellen, dass ihre Meinung in Entscheidungen einfließt.
Doch je größer das Unternehmen, desto wichtiger werden klare Strukturen. Der Vorteil eines Betriebsrates liegt darin, dass Informationspflichten und Mitspracherechte klar geregelt sind und nicht im Belieben des Unternehmers liegen.
In der Zeitschrift Ökologie&Landbau erklärt Lebensbaum-Chef Ulrich Walter, warum er froh ist, dass es in seinem Unternehmen einen Betriebsrat gibt: „Man kann nicht mehr alles erfassen und nicht mehr jederzeit mit jedem sprechen. Da ist der Betriebsrat ein hervorragendes Bindeglied. Seit vielen Jahren arbeiten wir vertrauensvoll und erfolgreich zusammen. Den Betriebsrat als Gegner zu sehen, ist Quatsch. Ich kann eigentlich nur jedem Unternehmen raten, einen zu installieren und zu pflegen.“
Bisher gibt es im Biobereich wenige Unternehmen mit Betriebsrat.
Im Fairen Handel, dem die Biobranche sich verpflichtet fühlt, sollen faire Preise die Kosten einer nachhaltigen Produktion decken und ein Leben in Würde ermöglichen. Das könnte auch als Grundsatz für zu zahlende Löhne in der Biobranche gelten.
Wer der Meinung ist, dass mensch mit Mindestlohn nicht menschenwürdig leben kann, muss mehr zahlen.
Faire Arbeitsbedingungen enthalten viel mehr Kriterien als faire Entlohnung: Der Verkauf von Bio-Lebensmitteln ist eine sinnvolle Tätigkeit. Und befriedigend, wenn das Arbeitsklima gut ist, die Hierarchien flach, die Arbeitszeiten flexibel gestaltbar sind und die Möglichkeit besteht, Abläufe selbständig zu gestalten. Dass die Biobranche bei diesen weichen Faktoren insgesamt gut dasteht ist unbestritten, auch wenn diese je nach Betrieb unterschiedlich stark ausgeprägt sind:
„Yoga statt Tariflohn“ ätzte die taz 2010. Thema waren die Löhne bei einem bekannten Mitbewerber der Branche. Angesichts der öffentlichen Empörung kündigte man an, Tariflöhne einzuführen.
Hinweise auf subventionierte Yoga-Kurse, finanzierte Weiterbildung, Aufstiegschancen und Einkaufsgutscheine werden als Ausreden betrachtet, wenn ein Filialist aus der Bio-Branche sich gegen Tariflöhne zur Wehr setzt.
Ein anderer Groß- und Einzelhändler, ebenfalls hier in Bonn zugegen, weist konkrete Fragen mit dem Hinweis ab, dass man zur Personal- und Gehaltspolitik nicht öffentlich Stellung nehme.
Einzige Ausnahme war ein Interview in der taz Ende 2011, als deren Chef erklärte, man orientiere sich am Tarif, liege mal drunter und mal drüber. Die Kommentare von Mitarbeitern auf diesen und ähnliche Artikel sowie die Bewertungen als Arbeitgeber in den einschlägigen Portalen zeigen eine andere Wirklichkeit.
In Betriebsvergleichen über die Arbeitskosten im Biofachhandel zeigen die Zahlen, dass der Naturkostfachhandel stets deutlich in Personal investiert. 3/4 der Steigerungen gehen in Lohnerhöhungen, 1/4 in neue Stellen.
In 2011 kostete jede Arbeitsstunde den Arbeitgeber im Schnitt 13,65 Euro brutto. Für den Arbeitnehmer entsprach das in etwa 11,50 Euro brutto.
Der Anteil der Aushilfen (auf damals 400 Euro-Basis) betrug 10% der Arbeitsstunden. Der Durchschnittsbruttolohn für Festangestellte lag bei rund zwölf Euro. Darin sind zusätzliche Vergütungen, Jobticket, Einkaufsgutscheine, zusätzliche Monatsgehälter etc. bereits enthalten. Allerdings ist die Regel, wenige Fachkräfte gut zu bezahlen, zu Stosszeiten sowie für „niedere“ Tätigkeiten Kurzzeitjobber einzuspannen.
Davon ist Momo weit entfernt. Aushilfen gibt es fast keine, abgesehen von der einen oder anderen Schülerin, die uns samstags oder in den Schulferien unter die Arme greift.
Rückblick: In den 1980er-Jahren war Momo ein Kollektiv. Der Arbeitgeber war gleichzeitig Arbeitnehmer, der eigentliche Chef war keine Person sondern der Betrieb selbst.
Unabhängig von Erfahrung oder Qualifikation fand eine gleiche Entlohnung statt, anhand der Arbeitsleistung in Stunden, die sich irgendwo zwischen betrieblicher Machbarkeit und persönlicher Aushaltbarkeit ansiedelte. Das Gehalt lag zwischen 4 und 10 DM, davon konnte man damals tatsächlich leben, wenn auch nur in Zusammenhang mit den geringen Ansprüchen was den Lebensstandard angeht. Die Motivation war vorrangig.
Diese Form des Einheitslohns gab es noch viele Jahre.
Doch auch heute sind die Unterschiede zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Gehalt gering. Und, wichtig, alle Gehälter, auch das Chefgehalt, stehen in Relation zu einer Leistung. Eine Entlohnung ohne Leistung, wie bspw. Zinseinkünfte oder Börsenspekulation, sind ein fragwürdiger Teil des kapitalistischen Systems. Dieses Geld kommt ja nicht aus dem Nirwana sondern fehlt an anderer Stelle, wo der Schweiss der Arbeit nicht gerecht entlohnt wird.
Die Hierarchie bei Momo heute ist nach wie vor flach. Es gibt einen Chef, viele engagierte, langjährige, verantwortungsbewusste MitarbeiterInnen.
Es sind über 35 Mitarbeiter:innen, plus Auszubildende, plus ein paar Aushilfen die anders nicht können oder wollen, plus Bistro, plus Metzgerei, plus Kurierdienste. Die aktuell (2023) 36 Festanstellungen sind im Durchschnitt seit 12 Jahren im Betrieb.
MitarbeiterInnen bei Momo haben Mitspracherecht. Wünsche und Verbesserungsvorschläge finden ein offenes Ohr in der Geschäfts- oder Bereichsführung. Selbständigkeit und Verantwortungsbereitschaft stehen ganz oben. Die Identifikation mit der Arbeit bei Momo allein ernährt jedoch keine Familie.
Bis zu 25% unseres Umsatzes, bis zu 3/4 aller Kosten, investiert Momo in die Gehälter. Der Branchendurchschnitt liegt unter 20%.
Einen Betriebsrat gab es bei Momo auch schon, der hat sich aber binnen weniger Jahre wieder in Luft aufgelöst.
Besonders bei Momo ist, dass die personelle Besetzung deutlich höher ist als anderswo. Mit dem Vorteil, dass der Arbeitsdruck niedrig bleibt, weniger Stress, mehr Flexibilität, Kreativität, mehr Zeit für besondere Kundenwünsche möglich ist.
Mit dem Nachteil, dass die Entlohnung auf mehr Menschen verteilt wird. Die Entwicklungsmöglichkeiten sind flacher, jeden Falles was die Gehaltlichen angeht. Von einem Tariflohn, wie zB für einen ausgebildeten Kaufmann mit mehrjähriger Betriebszugehörigkeit vorgesehen, sind wir dennoch nicht so weit entfernt.
Seit Jahren gibt es bei Momo jährlich inflationsratenorientierte Gehaltssteigerungen. Teils in Brutto-Euro, teils in höheren Rabatten auf Einkäufe, in kräftigen Zuschüssen zur Altersvorsorge oder oder oder als 13tes Gehalt.
Nicht ohne „Hintergedanken“: Hohe Rabatte bewirken, dass sich alle Momos die Produkte leisten und so sich damit auseinandersetzen können; mit den hohen Zulagen zur Altersvorsorge schaffen wir eine langfristige Bindung an den Betrieb, die Zuschüsse wachsen mit der Dauer der Betriebszugehörigkeit.
Außerdem werden bei Momo, was leider als Besonderheit angesehen werden kann, Überstunden bezahlt.
Momo bietet Ausbildungsplätze zum Kaufmann bzw. zur Kauffrau im Einzelhandel und zum Verkäufer bzw. zur Verkäuferin.
Momo bildet um die zwei, höchstens drei Auszubildende gleichzeitig aus. Das dauert 2 bzw. 3 Jahre und wird nach Tarif entlohnt.
Alter, Geschlecht, Hautfarbe, Schulabschluss spielen bei uns keine Rolle.
Die Basics für eine Ausbildung bei Momo sind: Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit, Teamfähigkeit, Flexibilität, mit Menschen umgehen können, in der Gruppe arbeiten können.
Eine gute Sprachkenntnis ist sehr relevant, wir helfen ggf. bei entsprechenden Schwächen, diese abzulegen. Und, wie der Name Kaufmann schon vermuten lässt, Du brauchst mindestens ein wenig mathematische Fähigkeiten. Wenn Du dann noch Ordnungssinn mitbringst, den Hygienesinn bringen wir Dir bei.
Eine Bewerbungsmappe bitte nur nach vorheriger Absprache an uns schicken oder zum Gesprächstermin mitbringen. Wir bevorzugen digitale Bewerbungen.
Bewerbung bitte an arbeit@bioladen.com
Wer Momo kennt ahnt, dass irgendetwas anders ist als in vielen anderen Läden. Der Geruch, das Licht, die Stimmung unter den Mitarbeiter:innen,…
Hinzu kommen Momos Ansprüche. An uns selbst, an unser Sortiment. Es genügt uns bei weitem nicht, Bio-Lebensmittel zu verkaufen, es sind viel höhere Ansprüche, an unser Sortiment und an den Umgang untereinander, auch hier im Betrieb.
Die Fluktuation bei Momo ist sehr gering. Die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit liegt 2021 bei 12 ! Jahren. Das mag zwar dem Aussenstehenden nicht sofort zugänglich sein, denn bei um die 50 (!) Gesichter kann der Durchblick schon mal verloren gehen.
Momo lässt sich sehr grob unterteilen in 3 Gruppen:
Es ist ein Kern jener, die hier schon zum Inventar zählen, die Säulen des Betriebs, die wissen wie der Hase läuft.
Ein weiterer Teil sind Kolleg:innen, die seit wenigen Jahren hier sind, aber hier noch sehr, sehr alt werden.
Und ein Teil sind jene, die hier nicht ihre langfristige Lebensplanung sehen, für die Momo ein Sprungbrett oder eine Lebensabschnittsgefährtin auf dem Weg zu anderen Zielen ist. Die uns aber nicht minder helfen, den Alltag zu bewältigen.
Möchtest Du dich nun bewerben, folgendes sollst Du wissen:
• Wir bieten einen Arbeitsplatz mit Sinn, mit langfristiger Perspektive, in einem lebendigen sozialem Umfeld, mit hohem Grad an Identifikationsmöglichkeit.
• Wir haben keine Aushilfen. Unter 10 Stunden/ Woche stellen wir nicht ein, es sei denn, Du bist eine erfahrene Kraft, hast bereits viele Jahre im Lebensmittelhandel gearbeitet und kennst die Basics.
• Relevant ist weder deine Ausbildung noch Herkunft, Nationalität, Geschlecht, alles äußerlicher Kram. Aber das Leben ist, auch bei Momo, kein Ponyhof. Es gibt viel zu tun und zu lernen.
• Relevant ist in der Tat, dass du die deutsche Sprache beherrschst und keine Angst vor menschlichem Kontakt mitbringst, denn den wirst du hier mehr als genug haben.
Deine Arbeitskraft wird auch rund um die Wochenenden sowie vor und nach Feiertagen gebraucht.
Die Arbeit bei Momo ist ein Prozess (der nie endet), die Grundlagen dafür musst Du mitbringen.
Pünktlichkeit, Engagement, Zuverlässigkeit.
• Ob nun 20, 30 oder 40 Stunden/ Woche, alles weitere bringen wir dir bei. Wie weit die Einarbeitung geht, ob du dich wohlfühlst als Rädchen im Getriebe oder selbst die Zügel in die Hand nimmst, das ist deine Entscheidung.
• Fachwissen ist keine Voraussetzung um bei Momo zu arbeiten, aber die Lernbereitschaft und der damit verbundene persönliche, zusätzliche Aufwand ist Grundlage. Wir fördern dich durch interne wie externe Schulungen und Weiterbildungsmaßnahmen.
Eine Bewerbungsmappe bitte nur nach vorheriger Absprache an uns schicken oder zum Gesprächstermin mitbringen. Wir bevorzugen digitale Bewerbungen.
Bewerbung bitte an arbeit@bioladen.com
Ausbildungsnachweis Nr.4
Alexandra W.
Thema: Mit Laib und Seele
Montags morgens um 1 Uhr ging die Fahrt zur Bäckerei Laib und Seele in Bonn Ippendorf los.
Ich hatte nicht geschlafen, irgendwie hielt ich dies für eine gute Idee. Simone (die andere Azubine) hatte geschlafen, hat aber auch keinen großen Unterschied gemacht.
Da waren wir also, zwei kleine Azubinen um 1 Uhr morgens in einer Bäckerei. Ich für meinen Teil konnte auf jeden Fall behaupten noch nie erfolgreich ein Brot gebacken zu haben und wäre im ersten Moment froh gewesen wenn man uns einfach nur ein bisschen alles erklärt hätte und ich dann ins Bett gekonnt hätte.
Doch es kam alles anders: Michael, der Chef dort war wirklich extrem gut gelaunt für eine so unmenschliche Uhrzeit und kleidete uns sofort mit zwei Kappen ein. Eine Schürze fand sich leider nicht, weswegen ich am Ende auch eher weiß als schwarz war, aber was man nicht alles mitmacht.
Auch in der Backstube war Clemens, einer der anderen Bäcker. Nach einer kurzen Einführung wo was zu finden sei und was wofür gebraucht wird wurden wir dann auch sofort eingespannt. Wir dürften Teig kneten, Michael immer zwei und wir jeweils einen, Clemens hat die Stücke abgewogen. Vorher wurden die Bestellungen in eine Tabelle eingetragen und ausgerechnet, wie viel Teig gebraucht wird. Einige Teige wurden bereits am Vortag angesetzt, andere bereits früher in der Nacht.
Ich hatte mir das irgendwie einfacherer vorgestellt aber mein Teig wurde leider nie so glatt wie der von Michael. So musste er die Teigstücke immer wieder nachkneten, ob ich also eine große Hilfe war ist mir unbekannt geblieben.
Die Brote von Laib und Seele werden frei geschoben gebacken, soll heißen, der Teig wird in eine Form gegeben in dem er noch einige Zeit gehen muss. Danach wird er auf ein Blech gekippt und wird dann direkt auf einem Schamottestein gebacken. Je nachdem um welches Brot es sich handelt werden diese noch eingeritzt oder vor dem Gehen in der Form in Körner getaucht.
Direkt neben dem Backofen befindet sich noch eine Kammer, in die das Brot zum Gehen geschoben wird, dort ist herrscht eine Luftfeuchtigkeit von 80%. Um Brötchen herzustellen gab es sogar eine Presse, in die man nur noch einen großen Klumpen Teig einlegen musste, wirklich faszinierend wenn man sowas noch nie gesehen hat.
Doch was mir dieser Besuch für meine Tätigkeiten hinter der Brottheke nun gebracht? Ich mache es nach dem ‚ich packe meinen Koffer‘- Prinzip und nehme mit:
Die Liebe mit der dort in dieser süßen kleinen Backstube gebacken wird, denn hier wird wirklich alles selber gemacht, also sehr handwerklich, kein großer Betrieb wo jeder nur einen Schritt kennt und machen muss.
Die Tatsache, dass auch Laib und Seele auf Schamottesteinen backt und wie man das Brot rein und wieder rausbekommt.
Was man mit Teigresten macht.
Warum auf dem „Wurzel Olive“ immer so viele schöne Oliven zu sehen sind.
Wie jedes einzelne Brot geformt und verarbeitet wurde.
Und zuletzt: Dass ich definitiv nicht für den Beruf des Bäckers geeignet bin, falsche Uhrzeit und viel zu starke Hitzeentwicklung. Insgesamt war es eine wirklich schöne Nacht in der kleinsten Biobäckerei Bonns.
»WÄHLE EINEN BERUF, DEN DU LIEBST, UND DU BRAUCHST NIEMALS IN DEINEM LEBEN ZU ARBEITEN.«
KONFUZIUS CA. 500 V. CHR.
»WE DON’T WANT JUST ONE CAKE – WE WANT THE WHOLE FUCKING BAKERY!«
MOMO, 1983 N. CHR.
RÜCKBLICK
In den 1980er-Jahren war Momo ein Kollektiv, das heißt, der eigentliche Chef war keine Person, sondern der Betrieb selbst.
Unabhängig von Erfahrung oder Qualifikation fand eine gleiche Entlohnung statt. Diese Form des Einheitslohns gab es noch viele Jahre und noch heute sind die Unterschiede zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Gehalt gering. Und, wichtig, alle Gehälter, auch das Chefgehalt, stehen in Relation zu einer Leistung.
Besonders bei Momo ist unter anderem, dass die personelle Besetzung höher ist als anderswo. Mit dem Vorteil, dass der Arbeitsdruck niedrig bleibt, weniger Stress, mehr Flexibilität, Kreativität, mehr Zeit für besondere Kundenwünsche möglich ist.
Mit dem Nachteil, dass die Entlohnung auf mehr Menschen verteilt wird.
Die Hierarchie bei Momo ist nach wie vor flach. Es gibt einen Chef, dutzende Mitarbeiter:innen mit Mitspracherecht, wenn nicht gar -pflicht, Wünsche und Verbesserungsvorschläge finden ein offenes Ohr. Selbständigkeit und Verantwortungsbereitschaft stehen ganz oben.
ÜBERBLICK
Bei über 50 Gesichtern kann schon mal der Überblick verloren gehen…
das hat aber nichts mit Fluktuation zu tun – denn die 36 Momos, plus aktuell 2 Azubis, plus ein paar Aushilfen die es nicht anders können oder wollen, sind im Schnitt seit 12 Jahren hier bei Momo – sondern mit der Masse Mensch, denn hinzu kommen die Kurierfahrer:innen, das Bistro und die Metzgerei, schon tummelt ein kleiner Ameisenhaufen. Obwohl manche Momos kaum sichtbar sind, die mischen gerade unsere Hausmarke Müsli oder tüten Körner ein oder disponieren Kundenbestellungen und packen Kisten für den Lieferdienst, der fast 1/4 unseres Umsatzes ausmacht.
Bei so viel Arbeit kann schon mal der Überblick verloren gehen…
Die Momos wirbeln in zwei Schichten zwischen 6 und 21 Uhr. Jeden Tag kommen ein paar unserer 80 (!) Lieferanten, täglich bis zu 4 Bäcker, bis zu 6 Gemüselieferanten. 100 Regalmeter Obst & Gemüse wollen bestückt sein, 170 Käsen gepflegt, hunderte Artikel in die Regale geräumt werden.
Ein paar Verkaufs-Zahlen aus 2022:
350.000 Eier, 32.000 Gurken, 7,5 Tonnen Rote Paprika, 37 Tonnen Bananen, fast 50 Tonnen Äpfel, 100.000 Liter Milch, 15.000 Mozzarella, über 5 Tonnen junger Gouda, 20.000 Passata & Cubetti – bestellt, geräumt, gegessen.
WOW!
Wie anhand dessen zu vermuten ist, ein Schwerpunkt unseres Tuns liegt im Frischebereich: 2/3 unseres Umsatzes generieren wir mit Lebensmitteln, die innerhalb weniger Tage verderben. Die möglichst wenig verarbeitet, möglichst frisch und damit maximal ökologisch und gesund sind.
Aber auch besonders Arbeitsintensiv, weshalb viele Mitbewerber diesen Aufwand geringhalten oder gänzlich auf vorverpackt und Selbstbedienung setzen bzw. es wird eher weggeworfen als gepflegt;
daher investiert Momo bis zu 25% ihres Umsatzes, bis zu 3/4 aller Kosten in die Gehälter und damit in die Menschen, die hier arbeiten. Der Branchendurchschnitt liegt unter 20%.
DURCHBLICK
Steigende Kosten, sinkende Umsätze, davon sind auch wir Momos betroffen. Angesichts der Umsatzrekorde, die wir durch Corona erreichten, auf der einen Seite Jammern auf hohem Niveau, wir sind noch oberhalb des Prä-Covid-Niveaus.
Da aber die Kosten, vor allem Gehälter, extrem gestiegen sind, machen uns die sinkenden Umsätze leichte Bauchschmerzen. Denn trotz der deutlich geschrumpften Preis-Schere zwischen bio und konventionell- wir sind gar nicht mehr so teuer wie unser Image- spart „der Deutsche“ nämlich vorrangig beim Essen.
Ich verstehe ja, dass Krieg und Inflation kombiniert mit Unkenrufen selbsternannter Wirtschaftweiser zu Verunsicherung führen. Aber beim Essen sparen- läge mir fern. Ist für mich die Priorität No.1
Tröste dich, solltest auch Du von steigenden Kosten betroffen sein: Dein Geld ist ja nicht weg, sondern nur wo anders 😉
Wenn‘s dann bei Momo Zwischenstopp macht, von jedem Euro, den du hier lässt…
– gehen 10 Cent direkt an Vater Staat
– gehen über 60 Cent an unsere 80 Lieferanten
– gehen 5 Cent drauf für Energie, Verpackungsmaterial, Kurierfahrer,…
– bleiben 25 Cent übrig für die Menschen hier bei Momo
So in etwa. Also alles bestens investiert.
MEIN BLICK
„Wähle einen Beruf, den Du liebst, und Du brauchst niemals in Deinem Leben zu arbeiten“ mag eine Prise dramatisch klingen, ist aber nur meine persönliche Sichtweise.
Denn wenn die Arbeit fertig macht, wenn die Arbeit zur Last wird, such dir eine, die deinen Talenten und Wünschen näherkommt. Die kostet keine Kraft, sondern setzt Kräfte frei.
momo-raoul im November 2023